Sind Spaß und Erfolg Gegner?

Ich weiss nicht, was für Erfahrungen ihr in den verschiedenen Chören gemacht habt. Ich kann mich an alle möglichen Konstellationen erinnern:

Gruppen, in denen die Spaßmacher das Kommando hatten und an ein konzentriertes Arbeiten nicht zu denken war, so dass das zwar anfangs Spaß machte, mit der Zeit aber das deutliche Gefühl aufkam, dass die Zeit eigentlich verschwendet war.

Dann gab es Chöre, in der sehr konzentriert die komplette Zeit durch gearbeitet wurde. Lockerheit war in der Leitung und Probe nicht vorgesehen außer bei der Ausübung von musikalisch lockeren Passagen. Nach der Probe grüßte man höflich und jeder entschwand in sein Leben. Diese Gruppen waren meist äußerst effektiv und auch sehr professionell. Mir hat mit der Zeit der persönliche Kontakt gefehlt, so dass ich das eher als Dienstleistung empfand und daher dort auch wieder aufhörte, sobald sich meine Lebensumstände änderten und das nicht mehr so gut hineinpasste.

Viele Gruppen kenne ich, die irgendein Mischverhältnis dieser beiden Extreme haben. Und das würde ich Dir für den Entwurf Deiner Chorarbeit auch vorschlagen!

Bei meinen Gruppen geht es meist sehr lustig zu, weil ich selber sehr gerne lache und Spaß habe. Allerdings variiert der "Spaßfaktor" auch von Gruppe zu Gruppe, was daran liegt, dass ich manche Gruppen übernommen habe und diese schon ihre eigene Probenstimmung entwickelt hatten. Allerdings verschiebt sich unter meiner Leitung die Stimmung eher zum Vergnügten hin - aber nur in dem Maß, wie es die Gruppe annimmt. Denn ich will natürlich auf jeden Fall eine gute Arbeit machen und in jeder Probe etwas erreichen - und das geht nur, wenn ich mich auf die Erwartung und den Wunsch der Gruppe einlasse.

Wenn Du aber für Deine eigene Konzentration eher eine ruhige Atmosphäre brauchst, spricht sicher nichts dagegen, den Grundton eher ruhig-professionell als unterhaltsam-locker zu halten. Denn schließlich bist Du derjenige, der sich gut fühlen muss, bevor Du anderen ein ähnliches Gefühl vermitteln kannst!

Trotzdem kommen hier ein paar Gedanken, warum es nicht schadet, den "Spaß" und die Unterhaltung Deiner Sängerinnen und Sänger mit zu bedenken.

- Die Menschen kommen in ihrer Freizeit in Deinen Chor. Viele arbeiten, müssen dort hochkonzentriert sein und werden nach ihrer Leistung beurteilt. Oder sie leisten zuhause oft immenses, um Kinder zu erziehen oder Angehörige zu pflegen - und meistens gibt es weder hier noch dort viel zu lachen! Wenn Du es also schaffst, dass in jeder Chorprobe wenigstens einmal herzlich miteinander gelacht wird, wird jeder gerne wieder kommen und die Leistung, die er bringen soll, gerne und ohne inneren Druck abliefern. Und bestenfalls mit zwei guten Gefühlen nach Hause gehen: dass er etwas geschafft und außerdem noch Spaß gehabt hat!!

- Rein stimmtechnisch ist es ungeheuer wichtig, das Zwerchfell zwischendurch zu lockern - und das geht am besten durch das Lachen. Natürlich gibt es auch Übungen dafür (am effektivsten: auf ffffff auspusten) - aber wenn es sich ergibt, dass alle Lachen, hast Du Dir schon eine Ansage erspart! Auch das Hirn wird beim Lachen wieder "locker" und es fällt danach wieder leichter, sich zu konzentrieren. Das kann natürlich auch mal problematisch werden: jeder kennt die Situationen, wo aus einem Spruch heraus die Atmosphäre ins Alberne umschlägt und auf einmal keine Konzentration mehr herzubekommen ist. Andererseits ist das auch ein sicheres Zeichen dafür, dass man das Thema wechseln sollte, weil die Energie erschöpft ist.

Wenn Du das Stück unbedingt noch üben musst, die Stimmung  aber albern ist, dann mach doch aus der Not ne Tugend: lass das Stück übertrieben singen! Doppelt so schnell wie sonst, als Opernsänger oder mit Kinderstimm-Imitation; oder als Kühe auf "muh, muh" etc. Damit kanalisierst Du die Albernheit, nimmst den Probenerfolg in dem Moment aus dem Fokus und den Spaß in den Vordergrund - und hinterher wollen alle das Stück doch wieder "richtig" singen.

- Wenn ihr im Chor immer mal zusammen lacht, wächst das Bindungsgefühl in der Gruppe. Und das kannst Du brauchen, wenn ein Probentermin mal wieder ungünstig liegt und der einzelne Sänger vor der Frage steht, ob er zur Probe geht oder andere Prioritäten setzt. Oder wenn es mal "menschelt" im Chor und die Situation eines guten WIR-Gefühls und einer gesunden Portion Humors bedarf.

 

Du siehst also: es gibt Gründe genug, den Spaß nicht aus Deiner Probe zu verbannen, sondern Raum dafür zu schaffen - und dann kannst Du Dir sicher sein, dass Spaß und Erfolg Verbündete statt Gegner sind!

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