weiblich, männlich, divers

Ja, auch an unseren Chorvereinen geht das Thema nicht vorbei.

Also - eigentlich ist es eher so, dass wir das Thema schon lange mit Leben füllen! Glaubst Du nicht?

Denk doch mal nach: kennst Du nicht auch viele Chöre, wo Frauen im Tenor singen? Oder vielleicht sogar Männer im Alt?

Und ne ganz andere Überlegung: Ist es nicht so, dass Drag Queens besonders durch das Singen bekannt wurden?

 

Aber bevor jetzt viele gedanklich die Hände über dem Kopf zusammen schlagen angesichts dieser "modernen Welt":

wir singen in unseren Liedern doch auch viel über "Brüderlichkeit", über Lebensträume, die zusammengebrochen sind, über innere Zerissenheit, über den Wunsch, so sein zu dürfen, wie man ist.

Prägt uns das nicht auf wunderbare Weise?

 

Wenn wir uns selber zuhören, dann merken wir, dass es einfach menschliche Themen sind, die uns beschäftigen, von denen wir auf immer wieder neue Art singend erzählen und die wir nachhörbar und nachfühlbar machen.

Und wie es für jeden Chorsingenden Stücke gibt, mit denen er gar nichts anfangen kann - zumindest anfangs -, so darf es sicher auch Themen geben, mit denen sich der ein oder andere nicht beschäftigen möchte.

Aber wie wir das auch aus der Probenarbeit kennen: je mehr man sich in ein Stück/ein Thema hineinarbeitet, sich damit beschäftigt, es besser kennenlernt, umso mehr wächst das Verständnis dafür. Es muss nicht mein Lieblingsstück werden (obwohl das gerade bei anfangs so fremdklingenden, "struppigen" Stücken oft der Fall ist!) - aber ich habe mich zumindest gedanklich darauf eingelassen und verstehe vielleicht, was der Komponist damit erreichen wollte oder warum es Menschen gibt, die diese Art Musik ganz wundervoll finden.

Auf diese Art lernen wir im Tun des Singens, in unseren regelmässigen Proben, Toleranz im besten Sinne.

Nämlich nicht als "es ist mir egal"-Haltung, sondern als Einladung, mich mit Fremden, mir auf den ersten Blick Nicht-Zugänglichem zu beschäftigen, einzutauchen in die fremde Welt und diese kennen zu lernen - und mir erst dann eine persönliche Meinung zu bilden.

 

Vielleicht können wir das auch ganz bewusst übertragen auf die vielen Dinge im Alltag, die vielen von uns fremd, schwer nachvollziehbar, "dissonant" und vielleicht sogar "falsch" vorkommen: wenn wir uns einmal probeweise darauf einlassen, uns damit zu beschäftigen, den Dingen nachzuhören und -spüren und das Gesamtbild, den Kontext zu erfassen - dann mag es vielleicht nicht unser Lieblingsgebiet werden, das wir uns aussuchen würden. Aber zumindest können wir dann vielleicht verstehen, dass hinter dem Fremden, Andersartigen einfach ein Mensch steckt, der wie Du und ich einfach gut leben und sein möchte, wie er ist.

 

Und dass ich es vielleicht gar nicht brauche, einen Aufkleber "weiblich, männlich, divers" dran zu machen - sondern einfach nur: kenn ich, mag ich, nicht mein Fall - whatever... Aber ein Mensch wie Du und ich!

 

Kleiner Tipp zur Umsetzung: schaut mal in eurer Gegend nach queeren Chören und besucht deren Konzerte! Ein tolles Erlebnis, von deren Freude und mutigen Bühnenpräsenz ihr sicher auch noch die ein oder andere Idee mit nach Hause nehmen könnt...

 

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