Teamplayer?!

Neulich war ich mal wieder zu Gast bei einem Konzert eines anderen Chores.

Mich wundert immer, dass ich so gut wie nie andere Chorleitende bei Konzerten treffe - obwohl ich in unserer Gegend wirklich viele kenne! Warum besuchen wir uns gegenseitig so selten?

Natürlich habe ich mit zunehmender Berufserfahrung vielleicht das Gefühl, meinen Stil gefunden zu haben, alleine gut klar zu kommen, keinen Input zu brauchen.

Das mit dem "Alleine klarkommen" ist ja auch besser so - wir haben ja keine Wahl! Als Chorleiter stehe ich nunmal mutterseelenalleine vor der Gruppe, muss das Problem erkennen, dass es vielleicht irgendwo gibt, parallel meine eigenen Vorstellungen im Kopf behalten, mir didaktische Rafinessen überlegen, damit der Chor auch macht, was ich mir vorstelle usw. Da gibts leider kein Team, was sich mal eben zur Beratung zurückzieht, um mir dann nach sorgfältiger Analyse seine Vorschläge zur Verbesserung der Situation vorzustellen... ;-) Schön wärs! Aber da die Realität eben so aussieht, dass ich selber Lösungen finden muss, muss ich auch die Einstellung haben, dass ich alleine klarkomme. So weit, so klar. Also doch einfach weiter so?

 

Manchmal verschafft einem der Blick in andere Welten eine neue Perspektive:

stellt Euch mal einen renommierten Arzt vor, einen Spezialisten auf seinem Fachgebiet. Nun lese ich in der Zeitung immer wieder darüber, dass für die Beurteilung von Krankheitsbildern Teams gebildet werden, teils sogar über Videochats, um alles spezifische Wissen bestmöglich zusammen zu tragen und dann die richtige Diagnose und daraus folgend die beste Therapie zu finden.

Denkst Du, dass der einzelne Arzt alleine nicht klarkommen würde, dass es Zeichen seiner Inkompetenz ist, wenn er sich mit anderen im Team bespricht??

Eben! Im Normalfall bestaunen wir die Souveränität, mit dem diese Spezialisten sich vernetzen und wie sie für die wichtige Sache möglichst alle Kräfte und alles Wissen bündeln.

 

Warum schauen wir uns das nicht einfach ab?

Es ist immer spannend, andere Chöre und Chorleitende in action zu erleben. Ich schärfe meine Beurteilungsinstrumente; denn es ist z.B. schon oft vorgekommen, dass ich das Genre, das der Chor singt, gar nicht besonders mag, mich aber die Art der Darbietung, die Professionalität des Dirigats oder die Ausstrahlung des Chores so fasziniert hat, dass ich ganz begeistert war.

Umgekehrt habe ich schon wirklich tolle Chöre erlebt, die mich innerlich kalt gelassen haben. Für mich hat das den Schluß bedeutet, dass ich bei meinen Chören lieber mehr Herzblut und Freude fördern möchte, als durch zuviel Perfektionsdrang den Funken zu blockieren, der doch eigentlich überspringen soll.

Manchmal lerne ich in Konzerten neue Werke oder Komponisten kennen, die ich dann irgendwann auch in einem der Chöre ins Repertoire hole. Und manchmal wundere ich mich, was das Publikum rechts und links neben mir alles gut findet - oder auch nicht.

 

Wie auch immer - ich gehe immer mit neuen Erkenntnissen und oft auch Ideen nach Hause. Selbst wenn es die Idee ist, wie ich es NICHT machen möchte oder was ich in Zukunft bei meinen Chören bewusst vermeiden will. Und oft gibt es auch noch ein nettes Gespräch mit dem Kollegen oder der Kollegin obendrauf.

 

Der Besuch beim Konzert neulich war übrigens in mehrfacher Hinsicht lohnend: ein paar Sängerinnen kamen freudestrahlend auf mich zu und begrüßten mich, obwohl wir erst einmal ein Coaching zusammen hatten. Das hat mich sehr gefreut!

Ich war auch sehr erfreut, dass vieles von dem, was wir begonnen hatten zu arbeiten, sich schon deutlich weiter entwickelt hatte. Da gab es auch ein großes Lob an den Chorleiter von mir!

Und außerdem habe ich tatsächlich auch noch ein neues lohnendes Werk kennen gelernt, so dass ich den Abend als "Fortbildung mit herzlichem Kontakt" verbuchen konnte. Wenn das mal kein Gewinn ist...

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