...aber in Youtube singen die das ganz anders!

Kennst Du das?

Kaum habt ihr ein neues Stück angefangen, konfrontieren Dich Deine Sänger mit der Aussage, dass sie auf youtube gehört haben, und dass das Stück ganz anders geht als ihr es gerade geprobt habt... :D

Ärgert Dich das? Fühlst Du Dich in Deiner Kompetenz angegriffen? Oder hast Du Sorge, dass in Deinem Chor bald jeder macht, was er will?

Wenn Du schon länger meinen Blog verfolgst, weißt Du, das ich immer für eine Fehlerkultur plädiere.

Hier geht es jetzt nicht um Fehler - aber um Unterschiedlichkeiten, in diesem Falle in der Interpretation.

 

Hast Du selber schonmal in Konzerten oder eben auf youtube andere Chöre erlebt mit Stücken, die auch DEIN Chor singt? Manchmal erlebe ich schmunzelnd - erst neulich wieder bei der Choreographie eines Stücks! -, dass andere auf genau dieselben Ideen gekommen sind wie ich. Oft bin ich auch überrascht, wie anders ein Chor dasselbe Stück singt: viel schneller oder viel langsamer, mit eingeschobenem Refrain oder weggelassenen Teilen, in der Aufstellung außergewöhnlich oder mit einigen (Hand-) Bewegungen, die den Inhalt unterstützen...

Ich habe begonnen, mir anzugewöhnen, nicht gleich alles zu bewerten, was ich sehe. Und vor allem: nicht negativ zu bewerten, was dort völlig anders gemacht wird als bei mir!

Inzwischen kann ich es als unglaubliche Bereicherung sehen, dass wir die Möglichkeiten haben, die unterschiedlichen Ausgestaltungen so einfach abzurufen und mitzubekommen.

Früher hatten die Klassik- oder auch Jazz-Liebhaber von ein und demselben Stück oft zig Schallplatten im Regal und konnten Dir en detail von den unterschiedlichen Interpretationen vorschwärmen. Heute hat jeder ohne großen Aufwand Zugang zu den unterschiedlichsten Versionen - und oft sogar mit Bild! Und damit kann auch jeder selber etwas für seine Geschmacksbildung tun.

 

Und hier wirds jetzt wieder spannend und auch wichtig für uns Chorleitende:

wir sollen und dürfen die Kompetenzen im Umgang mit diesem Angebot sein. Und wir sollten diese Chance nutzen.

Erzähle in der Probe, wenn ihr an einem Stück arbeitet, was es für Dich bedeutet, warum Du es so oder so gesungen haben willst; sollte der oben erwähnte Einwurf kommen, erkläre, warum Dir die Interpretation auf youtube von...  nicht so zusagt - oder lass Dich auf einen Versuch ein, es mal schneller, langsamer oder wie auch immer der Vorschlag hieß, zu singen.

Es wird meist postwendend Feedback aus Deinem Chor kommen! Und für Dich ist das die ideale Gelegenheit, in einen Dialog einzutreten. mit Deinem Chor um die für Euch richtige Interpretation zu ringen, Dir Deiner Argumente bewusst zu werden für die ein oder andere Variante und diese dann auch zu vertreten.

Am Ende hast Du das Sagen! Wenn Du es so oder so haben willst, wird es so gemacht. Das möchte auch Dein Chor, denn eine Gruppe braucht einen "Ansager" und das bist nunmal Du. Aber wenn ihr vorher über manches ins Gespräch gekommen seid und der Chor Deine fundierte musikalische Meinung gehört hat, hilfst Du jedem einzelnen, genauer hinzuhören, hinzusehen, sich Gedanken über die Aussage und Wirkung eines Musikstücks zu machen - und so natürlich auch mit viel mehr Eigenintention und Engagement an die Stücke heranzugehen.

Das wird sich auch auf die Ausstrahlung Deines Chores und den Klang des Stückes positiv auswirken - denn wenn ich weiß, was ich da singe und WARUM ich es genauso singe, stehe ich ganz anders auf der Bühne und kann mit der gesamten Chorgemeinschaft selbstbewusst zeigen: das ist UNSERE Version dieses Stückes - viel Spaß dabei!

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