MUSS ich mit meinem Chor zoom etc. verwenden?

Diese Frage steht verständlicherweise im Raum überall in der Chorlandschaft.

Im letzten Blogartikel habe ich schon die ersten drei Pro-Argumente besprochen - hier kommen weitere!

Die Liste aller Argumente - Pro UND Contra -, die mir eingefallen sind, findest du noch einen Artikel früher.

Die Contra-Argumente bespreche ich im nächsten Artikel. Ich hoffe, du findest die passenden Argumente für dich heraus, um DEINEN Weg mit deinem Chor in diesen Zeiten zu finden!

 

4. Selbstbild kann entwickelt und korrigiert werden

In jedem Chor gibt es zwei Arten von Singenden: die einen, die immer etwas unsicher dreinschauen, obwohl sie fast jede Stelle richtig singen. Und die anderen, die souverän davon ausgehen, dass es an den anderen liegen muss, wenn es falsch klingt.

Wenn Du nun ein Übungsmeeting mit deinem Chor machst, hat jeder einzelne die Last und auch die Chance, dass er ganz alleine für sich singen muss - höchsten noch mit dem Übetrack oder der Stimme der Chor- oder Gruppenleitung auf dem Ohr. Im besten Falle muss der Singende sich also dem Klang seiner Stimme stellen. Das kann erschreckend sein - aber da man sich ja gegenseitig nicht hört, ist es auch eine Chance, sich zu korrigieren und an seinem Klang zu arbeiten.

Du als Chorleitung solltest das in deinen Ansagen auch immer postiv verstärken. Mach den Leuten Mut, dass sie sich ausprobieren sollen; erkläre, dass es erstmal ungewohnt und erschreckend sein kann, wenn man nur seine eigene Stimme hören kann; dass es aber auch die Chance ist, dass man wirklich einmal weiß, was man so singt.

Natürlich hast Du keine Kontrolle, was da auf der anderen Seite des Bildschirms so passiert. Insofern ist es auch eine Chance für dich, für uns, UNSER Selbstbild zu korrigieren. Wir werden von den Alleskönnern, die souverän ihren Chor durch die Wogen der Chormusik steuern zu Coaches, Trainern, Begleitern, die Tipps geben, ermutigen, anfeuern, motivieren, unterhalten und ein Stück weit ihre Gedankenwelt teilen können und sollen. Damit werden wir gleichzeitig persönlicher - weil wir agieren müssen, ohne eine empathische Rückmeldung spüren zu können - und distanzierter, weil wir nicht wissen, ob das, was wir sagen, auch ankommt, angenommen und in unserem Sinne umgesetzt wird und dadurch auch nicht reagieren können.

Wir müssen quasi lernen, ein bisschen loszulassen und zu vertrauen. Eine Herausforderung!

 

5. Mitbestimmung und Mitarbeit der Chormitglieder wird etabliert und gestärkt

Auch dieses Argument zielt nochmal auf den Entzug der Kontrolle bzw die Umverteilung der Lasten: wenn in einer persönlichen Probe dein Chor von dir erwarten darf, dass du MERKST, was nicht läuft, wo das Problem ist und welche Stimmen sich unsicher fühlen, KANNST du das nun nicht leisten. Und das ist allen klar.

Daher muss nun jeder einzelne für sich selber Verantwortung übernehmen. Er muss sich selbst kritisch begleiten, überprüfen, sich ausprobieren und motivieren - das kann für manche eine Überforderung sein.

Sollte sich jemand ausklinken, dann ist für dich die Herausforderung, ihn zu lassen.

Weil wir nicht spüren KÖNNEN, was das Problem ist, dürfen wir es auch gar nicht erst versuchen.

Stattdessen können wir immer wieder ermutigen, Fragen zu stellen, Probleme zu benennen, Dinge auszuprobieren - und wir sollten wirklich immer wieder uns und allen klar machen, dass es ein ANGEBOT ist, diese Übezeit - und keine Pflicht. Und dass diese Art zu proben nicht vergleichbar mit dem "normalen Chor" vergleichbar ist.

Hat jemand keinen Spaß mehr, ist es völlig in Ordnung sich auszuklinken - und schön, wenn man es beim nächsten Mal wieder probiert!

Auch für die Mitbestimmung kann man gute Formen finden: das geht von Einsingspielen, in denen jeweils ein anderer zum "Vorturner" für Lockerungsübungen bestimmt wird über bestimmte Stellen eines Werks, die sich die Übenden gewünscht haben bis zur Repertoireauswahl, der Häufigkeit oder Länge solcher Übezeiten oder auch dem anschließenden Plausch sowie sonstiger Treffs zum Austausch. Genauso kann es sein, dass du technisch nicht so firm bist, ein Chormitglied aber schon - und ihr so ein neues Kompetenzteam bildet, was den digitalen Treff erst möglich macht.

 

6. Spaß miteinander/ Gemeinschaft

Ich hatte es schon erwähnt, möchte es aber nochmal als extra Punkt fassen: man sollte nicht unterschätzen, welcher Motivationsschub und welches Zusammengehörigkeitsgefühl ausgelöst wird, wenn man sich gegenseitig sehen kann.

Dieser Punkt ist auch ein großes Gegenargument gegen technische Bedenken: gerade, wenn vielleicht nicht alles reibungslos läuft - und das läuft es nie! -, kann das für viel Erheiterung und Gelächter sorgen. Sei es, dass einer die Kamera nicht findet oder denkt, er wäre stumm geschaltet und spricht munter mit seinen Mitbewohnern; sei es, man hört die Kinder fleißig mitsprechen bei den Kolleg:innen; sei es, jemand erwähnt, er hätte ständig eine zweite Musik im Kopfhörer... -  all das und noch viel mehr sorgt für das Menschliche im Zusammensein und für viele Gelegenheiten, miteinander zu lachen!

 

7. genauere Anweisung der Chorleitung

Dieser Punkt ist die gute und die schlechte Nachricht für uns Chorleitungen: wer wie ich Chorproben eigentlich eher aus dem Bauch heraus gemacht hat und sich am Geschehen in der Chorprobe orientiert hat, wird sich deutlich umstellen müssen!

Da wir kein Feedback bekommen - außer einem Daumen in den Sichtfenstern, wenn wir fragen, ob der Vorschlag ok ist - und auch nichts hören, müssen wir VORHER genau wissen, WAS wir WIE üben wollen, welche Botschaften wir an die Singenden haben und wo wahrscheinlich Schwierigkeiten auftreten werden.

Solltest Du - wie ich - das Glück haben, ein Team zu haben, die die Gruppenleitungen übernehmen und quasi "Stimmproben" abhalten, musst Du dich mit ihnen zumindest über die Aufgabenstellung, die Stellen, die ihr üben wollt und die Zeiteinteilung absprechen. Auch IN den Übeeinheiten kannst du nicht sagen: singt mal, ich sag euch dann, was mir nicht gefällt.

Dadurch wird die Bringlast hier umgekehrt. Andereseits hast du es etwas entspannter als sonst, weil das Programm genauso abläuft, wie du es dir vorgestellt hast und nicht durch Unruhe im Chor oder überraschende Schwierigkeiten (außer technisch....!) im Ablauf gestört wird. Es ist nicht das, was ich am Chorleiten so liebe - aber ich denke, es lehrt mich einige Dinge, die bisher zu kurz kamen oder in Vergessenheit geraten sind und ich werde - wenn das wieder möglich ist - für die persönlichen Proben mit den Chören sicher einiges dazu gelernt haben!

 

Alles in allem gibt es also viele motivierende Argumente für die Online-Übezeiten!

Ich mache das momentan nur mit einem Teil meiner Chöre, der andere Teil hat sich bisher dagegen entschieden.

Was hier die Gründe sein können, schreibe ich im nächsten Artikel.

Lass mir gerne einen Kommentar, auch mit Fragen oder Kritik, da!

Bleib gesund und munter! #staytuned

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