Aus Corona wird jeder seine eigene Leere ziehen...

Wie geht es Euch?

 

Bevor ich in die "Leere" aus der Coronazeit einsteige, möchte ich mich entschuldigen, dass ihr hier so lange nichts von mir gehört habt. Ich fürchte, die Abstände werden größer bleiben, obwohl die Lust und auch die Notwendigkeit, Dinge zu be-schreiben weiter ungebrochen da ist.
NATÜRLICH hat das auch mit dem Thema zu tun, obwohl ich Glück habe und die richtigen Strukturen im Rücken, dass ich die Zeit relativ unbeschadet überstanden habe. Zumindest bisher.

Aber auch bei mir haben die letzten 1,5 Jahre ihre Spuren hinterlassen.

Es gab weniger Kontakte, weniger Rückmeldungen und sozialen Austausch, weniger funktionierende Pläne und Spielraum, weniger Erfüllendes, weniger Musik.

Dafür mehr Arbeit, mehr Meetings, mehr Vorgaben und Regeln, mehr Gedankenarbeit, mehr Diskussionen, mehr Absagen und mehr Verausgabung.

Das geht sicher uns allen so, die wir versucht haben, "den Laden" am laufen zu halten: unseren Chören etwas zu bieten, die Strukturen auch jenseits der bekannten Pfade am Leben zu erhalten, die Leute zu motivieren und bei der Stange zu halten, neue Ideen zu entwickeln und uns neue Fähigkeiten anzueignen.

 

Gerade war ich wieder auf der chor.com . Wie herrlich, dass sie in Präsenz stattfinden konnte!

Auch dort wurde in jedem Gespräch, das ich führen durfte, früher oder später klar: die Szene ist erschöpft.

Wir sind noch da - aber langsam geht uns "Machern" die Luft aus, weil wir uns zerreißen zwischen den wenigen, die Lust haben, wieder "etwas geboten zu bekommen" - wie früher am liebsten! - und denen, die "lieber noch vorsichtig" sind und sich noch nicht so recht zurück ins Leben wagen.

Wir selber wollen, dass die Chorszene überlebt und dass wir unsere Kompetenz und Leidenschaft wieder einsetzen können. 

Wir ringen um Verständnis für die Vorschriften und die Einstellungen der Menschen oder versuchen, unser Unverständnis zu verbergen. Wir wollen wieder da sein können für die Menschen, die mit uns singen wollen und versuchen, Wege dafür zu finden, die sinnvoll, möglich und machbar sind. Oft, ohne die Kraft und Energie, die wir dafür aufwenden müssen, mitzudenken.

Gleichzeitig gibt es tausende von Förderprogrammen mit motivierenden Namen, die uns alle zuzurufen scheinen:

MACHT WAS!! Zurück zum alten Normal - aber am besten noch besser!

 

Was den letzten Punkt betrifft, kommt hier mein dringender Appell:

Ja, es ist schön, dass wir wieder mehr machen können. Ja, wir wollen wieder Angebote machen. Ja, wir wollen auch die guten Konzepte "von früher" wieder aufleben lassen und die Singenden, die wir vielleicht unterwegs verloren haben, wieder zurückholen oder andere dazu gewinnen.

Aber: PASSEN WIR AUF UNS AUF!

 

Wir hatten nicht anderthalb Jahre Pause.

Wir hatten anderthalb Jahre ein Leben, dass sich ganz grundsätzlich von dem vorher unterschieden hat. Die größte "Währung", in der wir Teile unseres Lohns sonst erhalten haben, viel komplett weg: Applaus des Publikums und glücklich strahlende Gesichter der Akteure sowohl bei und nach Auftritten als auch bei Proben. Auch das direkte Erleben unserer Kompetenzen, die Selbstwirksamkeit, fand nicht bis nur ganz gering statt - weil wir entweder gar nicht oder online geprobt haben, wo positive Rückmeldungen nur durch Worte, aber nicht durch Schwingungen im Raum, möglich waren.

Und als wir wieder in Präsenz mit Abstand proben durften, war das ein "mentales Glücksgefühl", weil es so viel mehr war als vorher - aber doch nichts ganzheitlich Spürbares, weil die Menschen zu weit weg waren, als dass die Energie rückfließen hätte können. Und die Energie, die wir verteilen mussten, um alle im Raum zu erreichen, war durch den größeren Aktionsradius auch deutlich größer.

 

Nein, das soll kein Gejammer sein. Aber eine Erklärung, warum die Freude, wieder mehr machen zu können, nicht dazu führt, dass wir uns alle voller Motivation und Energie fühlen und die negativen Erlebnisse einfach vergessen und in der Vergangenheit verschwunden sind.

Meiner Beobachtung nach geht es den meisten von uns so. Oft sieht man das gar nicht auf den ersten Blick.

Denn natürlich haben wir  alle Lust, wieder etwas zu bewegen. Schließlich ist das unsere Leidenschaft. 

Aber es nutzt nichts, wenn wir dann in einem halben Jahr alle für ein paar Monate pausieren müssen, weil wir uns über die Grenzen hinaus verausgabt haben.

 

Es ist wichtig, dass wir uns darüber bewusst werden und auch offen darüber reden, dass wir erschöpft sind.

Es ist wichtig, dass wir unser Team pflegen (oder uns eines suchen), damit die Last auf mehreren Schultern verteilt ist.

Es ist wichtig, dass wir immer wieder innehalten und überlegen, was JETZT GERADE nötig und sinnvoll ist anzubieten - und vor allem, ob im Team Kapazitäten dafür da sind.

Es ist wichtig, dass wir uns trauen, uns auf unser "Kerngeschäft" zu fokussieren und die diversen "nice to have"-Projekte nur dann zu machen, wenn genug Menschen mit genug Energiereserven daran mitarbeiten.

Es ist wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen und einer etwaigen Erwartungshaltung, dass "alles wie früher oder besser" wird, gemeinsam entgegentreten.

Es ist wichtig, dass wir auf uns achten, damit wir weiter die Chorszene lebendig halten können, ohne uns selber zu zerstören.

 

Also lasst uns auf uns achten und das (Chor)-Leben so gestalten, dass es UNS ALLEN guttut!

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